Auch Kommunalparlamente müssen ordentlich arbeiten können – Weshalb eine Drei-Prozent-Hürde bei der Kommunalwahl sinnvoll ist
Unser Kreisvorsitzender schreibt für die Junge Union Schleswig-Holstein in ihrem Blog „Ins Schwarze“ zur weggefallenen Sperrklausel bei Kommunalwahlen im Land.
Am 6.Mai finden bei uns in Schleswig-Holstein die Kommunalwahlen statt: Kreistage sowie Stadt- und Gemeindevertretungen setzen sich neu zusammen. Vom Umfang und der Arbeit her sind es die größten Wahlen. Alleine über 650 Bewerber um politische Mandate finden sich in meinem Heimatamt Südtondern. Das Ganze ließe sich jetzt auf die Landesebene hochrechnen, macht aber vor allem deutlich, dass es um keinen elitären oder isolierten Kreis geht. Es ist die intensivste und persönlichste Form, für unseren Staat Entscheidungen zu treffen. Es geht konkret um das zu Hause und das direkte Lebensumfeld.
Auch bei den Kommunalwahlen gelten die Grundsätze jeder demokratischen Wahl: Sie muss frei, gleich und geheim erfolgen. Beim Gleichheitsgrundsatz, der Gleichgewichtung der abgegebenen Stimme, ist die Lage allerdings nicht mehr eindeutig und zufriedenstellend. Immerhin können nicht genauso viele Vertreter wie abgegebene Stimmen in den Parlamenten sitzen und auch wenn man es rechnerisch auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner herunterbricht, wird es nicht zwangsläufig besser.
Im Schnitt sitzen 4-6 Fraktionen in einem Parlament (kleine Gemeinden mit 1 – 3 Wählergemeinschaften einmal außenvor genommen), die Gremien setzen sich nach diesen Verhältnissen zusammen. Die Anzahl der Bewerberparteien und Wählergemeinschaften ist meistens wesentlich höher. Die kleinsten Gruppierungen erhalten allerdings nicht viele Stimmen im Vergleich zu den „Großen“ im Ort oder im Kreis. Die Spannweite bei Ergebnissen der Bewerber geht von absoluten Mehrheiten bis hin zu unter einem Prozent – enorme Diskrepanz.
Bis vor einigen Jahren galt zur Wahrung der Arbeitsfähigkeit und der Verhinderung von Zersplitterung in den Kommunalparlamenten eine Fünf-Prozent-Hürde in Schleswig-Holstein. Diese wurde allerdings durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts ( -2 BvK 1/07 Rn.1-149) kassiert. Seitdem gibt es im schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetz keine Hürde mehr, um in die Kommunalparlamente kommen zu können. „… in der Sicherung der Gemeinwohlorientierung politischer Kräfte kann gegenwärtig kein zwingender Grund für die Beibehaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Wahl […] gesehen werden.“ (Rn.115), argumentiert das Bundesverfassungsgericht und führt dabei auch weiter aus: „Auch wenn insbesondere in größeren Gemeinden und Kreisen die Willensbildung der Bürger überwiegend von den politischen Parteien geformt wird, so folgt doch aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, dass die Auslese der Kandidaten für die kommunalen Vertretungskörperschaften jedenfalls auch nach partikularen Zielen möglich sein muss…“ (Rn.117)
Jetzt stellt sich aber die Frage: Ist eine „hürdenfreie“ Wahl denn erstens Gerechter und wird es zweitens der kommunalen Wirklichkeit gerecht? Erstens: Nein und zweitens: Nein.
Eine Fünf-Prozent-Hürde benachteilige also besonders kleine Mitbewerber und verletze deren Rechte auf Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit nach dem Gleichheitsgrundsatz. Jetzt stellt sich aber die Frage: Ist eine „hürdenfreie“ Wahl denn erstens Gerechter und wird es zweitens der kommunalen Wirklichkeit gerecht? Erstens: Nein und zweitens: Nein.
Für eine Wahl muss alleine aus praktischen Gründen eine Hürde zum Einzug in Parlamente existieren. Ansonsten wird jeder, der sich aufstellt (und sich mindestens nach dem adenauerschen Grundsatz auch selbst wählt), auch Mitglied in einer kommunalen Vertretung. So sieht auch heute nach dem Urteil die Realität aus. Die Grenze für den Einzug in Kommunalparlamente liegt dennoch bei knapp einem Prozent. Zum Beispiel: Die LINKE erhielt bei der Kreiswahl 2013 in Nordfriesland 1,3 % (895 absolut) und zog mit einem Platz in den Kreistag ein. Die CDU im Vergleich dazu holte 39,6 % (27.387 absolut) und 21 Plätze. Würden wir nun allerdings den Gleichheitsgrundsatz anlegen, müsste die CDU das 30,4-fache an Sitzen erhalten, also nochmal Neun Plätze mehr. Ist das also fair?
Die „Großen“ werden gegenüber den kleinen Mitbewerbern erheblich benachteiligt, der Gleichheitsgrundsatz ist damit auch bei „Hürdenfreiheit“ verletzt. Man darf dabei nie vergessen, dass es dabei nicht um die Parteien selbst geht, sondern die abgegebenen Stimmen der Bürger. Diese werden also benachteiligt.
„Kommunalparlamente müssen keine Regierung stellen.“ – Dieser Ausspruch zur Rechtfertigung eines kleinteiligen Parlaments mit 6-9 Fraktionen wirkt vor dem Hintergrund der Wirklichkeit zynisch. Die Arbeit in Kommunalparlamenten haben nicht vergleichbare Gesetzgebungskompetenzen wie Land und Bund, sie sind aber auch zur Ordnung und Erfüllung von Staatshandeln zwingend notwendig. Wer einem Kreistag oder einer Gemeinde oder einer Stadtvertretung die Notwendigkeit zur stabilen Mehrheitsfindung abspricht, wertet auch das Recht der Kommunen auf Selbstbestimmung ab.
Die praktische Arbeit mit Acht oder mehr Fraktionen in einem Parlament wird immer schwieriger. Was das Bundesverfassungsgericht als „partikulare Ziele“ freundlich umschreibt, ist häufig rücksichtslose Klientelpolitik. Haben wir nun nicht nur einen, sondern ein Vielfaches an Vertretern dieser Art im Parlament sitzen, ändert sich das Arbeitsklima schlagartig. Fast jeder, der sich in der Kommunalpolitik engagiert, kennt Beispiele dazu. Dabei tragen Kommunalparlamente doch auch den Titel „Kollegialparlamente“. Überparteiliche und interfraktionelle Zusammenarbeit für die Heimat sollten dabei zu den Idealen der politischen Arbeit gehören. Genau das wird immer schwieriger und durch eine ebensolche Zersplitterung der Vertretungen verhindert. Die Wirklichkeit sieht anders aus, sie bemisst sich nicht an politischen Idealen.
Deshalb ist aus diesen Gründen eine Hürde sinnvoll. Sie muss dabei nicht bei Fünf-Prozent liegen. Die Erfahrung zeigt, dass Drei-Prozent ein guter Kompromiss zwischen den unvermeidlichen Gleichheitsproblemen und Ungleichbehandlungen von Bewerbern sind. Ein gutes Anliegen der CDU Schleswig-Holstein, dass sich leider in der Jamaika-Koalition nicht durchsetzen konnte. Immerhin waren es auch mit die Grünen die 2007 gegen den Landtag vor das Bundesverfassungsgericht zogen und mit eben jener politischen Doppelzüngigkeit sich selbst bevorteilen und die Mehrheiten benachteiligen wollten. Bisher haben sie dieses leider geschafft.